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Eigenarten lesender Menschen

Lesen bedeutet für mich, einzutauchen, die Wörter richtig aufzunehmen und möglichst wenig darauf zu achten, wie das Buch danach aussieht. Ich liebe es, ein Buch so richtig zu erleben. Ich rieche sofort an einem neuen Buch und wenn es besonders papierig riecht, war das nicht das letzte Mal. Bücher werden beim Rausgehen in den obligatorischen Jutebeutel geschmissen, den ganzen Tag rumgetragen und dann doch nicht gelesen, weil der neueste Shitstorm auf Twitter spannender war. Natürlich wird es dann dreckig, neben all den mysteriösen und nicht identifizierbaren Inhalt am Boden der Tasche. Aber darum geht es ja. Bücher begleiten mich nicht nur beim Lesen und im Kopf, sondern auch im Alltag. Gehe ich in die Bibliothek zum Lernen oder Hausarbeit schreiben, fühlt es sich besonders produktiv an, wenn die Tasche viel zu schwer ist. Ich liebe es, wenn Bücher gelesen aussehen. Je zerstörter, desto besser! Das Buch muss was erlebt haben, so wie ich.
Über all das werde ich in meinem Rant schreiben. 

Katharina Lang

von Katharina Lang, 23.08.2023

Ich mag es, Bücher zu meinen eigenen zu machen. Das fängt dabei nicht beim Erwerb dieser an, sondern die Art wie ich sie lese. Ich hinterlasse gerne, meistens unbewusst, eigene Spuren wie Eselsohren. Übersichtlich ist das allerdings nicht, man muss da sehr vorsichtig sein, denn Eselsohren dienen mir nicht nur als Lesezeichen, sondern auch als Markierung einer signifikanten Stelle im Buch. Manchmal ist die Seite nicht mal absichtlich eingeknickt. Lesen bedeutet für mich, einzutauchen, die Wörter richtig aufzunehmen und möglichst wenig darauf zu achten, wie das Buch danach aussieht. Ich liebe es, ein Buch so richtig zu erleben. Ich rieche sofort an einem neuen Buch/Errungenschaft und wenn es besonders papierig riecht, war das nicht das letzte Mal. Bücher werden beim Rausgehen in den obligatorischen Jutebeutel geschmissen, den ganzen Tag rumgetragen und dann doch nicht gelesen, weil der neueste Shitstorm auf Twitter spannender war. Natürlich wird es dann dreckig, neben all den mysteriösen und nicht identifizierbaren Inhalt am Boden der Tasche. Aber darum geht es ja. Bücher begleiten mich nicht nur beim Lesen und im Kopf, sondern auch im Alltag. Gehe ich in die Bibliothek zum Lernen oder Hausarbeit schreiben, fühlt es sich besonders produktiv an, wenn die Tasche besonders schwer ist. Ich liebe es, wenn Bücher gelesen aussehen. Je zerstörter, desto besser! Das Buch muss was erlebt haben, so wie ich. 

Meine Tante ist der schlimmste Mensch, um sich Bücher bei ihr auszuleihen. Ihr System ist außerordentlich ausgeklügelt, penibel geordnet und unglaublich nervig. Jeder Besuch bei ihr war von der Nervosität geplagt, dass ich angeblafft werde, ich habe ihr vor 5 Jahren diesen einen ganz bestimmten Thriller von Kathrin Slaughter nicht wiedergegeben. Weder möchte ich mich an meine Thriller-Phase zurückerinnern, noch kann mir mein neurodiverses Gehirn sagen, wo dieses Buch hin verschwunden ist. Das kleinste Problem ist, ein Buch nicht zurückzugeben, aber wenn es einen Knick im Buchrücken oder Flecken hat, dann ist Feierabend. Ich kenne niemanden, der so ordentlich und sauber Bücher liest. Ist das Buch besonders steif und die Seiten sehr eng gebunden, wird dieses Buch nicht wie ich es machen würde, radikal so lange verbogen und massakriert bis es gut händelbar ist, nein, sie legt es vorsichtig von der einen zur anderen Seite, so, dass es möglichst umständlich ist. Sich Bücher von ihr auszuleihen hat dann schnell bei mir aufgehört. Zu doll war das schlechte Gewissen und zu groß der Druck, ein Buch zurückzugeben, dass ungelesen aussieht. Diese konstante Panik meiner frühen Lesekarriere möchte ich nicht mehr spüren.

Das ideale Buch passt gerne mal in eine großzügige Manteltasche und riecht ein bisschen wie das einlagige recycelte Klopapier, das es immer auf der Schultoilette gab (wenn es denn welches gab). Mit das Schlimmste ist, wenn Bücher zu steif sind und man nicht drum herumkommt, den Buchrücken umzuknicken. Am schwersten wird es am Anfang oder Ende des Buchs und es immer wieder beim Lesen zusammenklappt. Ich möchte nicht davon abgelenkt werden das Buch möglichst vorsichtig oder kompliziert händeln zu müssen. Bücher dringen so tief in einen ein, manche trägt man nicht nur physisch sondern auch seelisch mit sich. Wenn das Buch dann nicht auch aussieht als hätte es genauso viel durchgemacht wie ich, fühlt es sich an, als hätte ich nichts erreicht oder all der emotionale Stress beim Lesen war es nicht wert. Ähnlich ist es bei Kochbüchern. Ich muss doch mit verklebten Seiten und Flecken beweisen können, dass ich die drei Stunden in der Küche stand. Nicht zu schweigen von den vierzig Lesezeichen, die aus dem Kochbuch rausgucken und ihren Weg dorthin alle paar Monate finden, wenn ich mal wieder beschlossen habe, dass ich was anderes als meine üblichen Comfort-Meals kochen will. 

Wenn man wissen möchte, wie andere ihre Bücher lesen, ist die Bücher-Community auf Tik Tok die sich Book Tok nennt, zu empfehlen. Wenn einen schnell Sachen aufregen, sollte man das allerdings lassen. Bücher zu markieren ist dort ein riesiges Ding und es scheint sehr viele Regeln zu geben. Die meisten haben sehr ausgeklügelte Systeme und Farbeschema, um ihr Gelesenes aufzuarbeiten. In der Regel sind es sehr ordentliche Menschen, die mit Lineal unterstreichen und extrem viele verschiedene Post-Its in ästhetischen Farben besitzen, viele Suchen sie auch nach den Farben des Covers aus. Den Buchrücken zu brechen, was eines der ersten Dinge, die ich mit einem neuen Buch mache ist, ist bei Book Tok ein sehr kontroverses Thema. Andererseits ist der nächste von Tik Tok vorgeschlagene Suchbegriff genau davon ein ASMR Video zu finden. Ein bisschen gibt das Ganze einem das Gefühl, dass es sich doch sehr stark nur um den Konsum dreht. All das Zubehör ist praktischerweise in der Amazon-Storefront des Creators verlinkt und sich so viel Mühe für jedes Buch zu geben scheint, als würde es den ganzen Spaß und die Spontanität der Gedanken beim Lesen nehmen. Vielleicht ist es nur eine neue Art seinen Konsumzwang auszuleben oder ich kann es einfach nicht nachvollziehen, wie andere Menschen organisiert arbeiten. Irgendwie ist es auch echt beeindruckend und interessant nachzuempfinden, wie Menschen sich Bücher erarbeiten. Alles, was ich in dem Moment habe, sind meine Hände um die Ecke einer Seite umzuknicken, manchmal noch ein Stift und ziemlich oft auch noch irgendein Gegenstand aus meinem Umfeld der in jeglicher Art und Weise Spuren auf dem Buch hinterlässt. Sei es der Inhalt meiner Tasche, ein Tropfen Kaffee der sich aus meiner Tasse verirrt hat oder der so bekannte saubere Boden einer U-Bahn.

Die Falten geknickter Buchrücken, die auf Englisch broken oder cracked spines heißen und es damit viel dramatischer und schöner klingen lassen, sind für mich wie die Ringe an der Innenseite eines Bierglases, eine Chronologie des Lesens. 

Am Ende ist es doch am wichtigsten die eigene Leidenschaft am Lesen zu finden und zu entdecken, was einem dabei hilft. Für mich sind meine Bücher der Spiegel meiner selbst. Habe ich viel zu tun und muss viel rumfahren, sehen die Bücher entsprechen mitgenommen aus. Spannende Bücher müssen am meisten aushalten, weil sie überall hin mitgenommen werden. Wenn ich Zeit habe und im Urlaub nur rumliege und die Bücher in langen Einheiten lese, kann man das trotzdem gut am Buchrücken und den eventuellen Sandkörnern und Sonnenschutz-Flecken sehen. Willst du wissen, wie es mir geht, brauchst du nur mein momentanes Buch anzugucken.

Bücher sind Geschichten aber schreiben auch ihre eigenen mit der sie lesenden Person zusammen. Der Gedanke, dass man mit dem Buch zusammenarbeitet und seine eigene kleine Nebenhandlung aufbaut, macht mich sehr glücklich. Egal, wie es dazu gekommen ist.