Schon in den 70ern ist Susan Sontag so berühmt, dass die ganze Stadt weiß, wer mit „Susan“ gemeint ist. Sigrid Nunez, gerade frisch aus der Uni, soll ihr bei ihrer Korrespondenz helfen. Doch die Treffen, in denen wenig gearbeitet und viel geredet wird, enden, als Sigrid beginnt mit Susans Sohn David auszugehen. Sigrid zieht in die „340“, eine riesige Wohnung mit Blick auf den Hudson, ein und lebt über ein Jahr lang gemeinsam mit Mutter und Sohn.
Ihre Erinnerungen an diese Zeit versammelt Sigrid Nunez auf diesen 140 Seiten. Sie zeichnen das Bild einer Frau mit großen Ansprüchen, an sich und ihr Umfeld, Lebenshunger (sie wollte sich verlieben und Spaß haben), präzisen Ansichten (es galt weder „langweilig“ noch „servil“ zu sein), Ambivalenzen (sie konnte mit wenigen Worten grausam sein), Liebe für alles Schöne und einem gleichzeitigen Leben im Provisorium (ihre große Wohnung auf der Upper West Side, ja ihr ganzes Leben, glich dem einer Studentin). Susan Sontag wird zu Sigrids Mentorin, eröffnet ihr eine neue Welt, Schriftsteller*innen und Regisseur*innen ebenso wie Hummer, Opern und New Orleans. Ein wiederkehrender Satz lautet: „Kennst Du schon...?“. Sie gehen ständig ins Kino, essen nie zuhause, verreisen und sprechen über Nunez erste Texte (du musst veröffentlichen!).
Die Stärke von „Sempre Susan“ ist die Subjektivität: Nunez zeichnet ein Porträt aus ihren Erinnerungen. Sie hat keinen Anspruch an Vollständigkeit oder Ausgewogenheit, sie beschreibt die Susan Sontag, die sie kennengelernt und mit der sie gelebt hat. Diese unterscheidet sich immer wieder von ihrem öffentlichen Bild - Sontag galt beispielsweise als humorlos, was Nunez bestreitet und als mysogyn entlarvt. Sie beschreibt Details (was trug Sontag, wen verehrte sie, was lehnte sie ab) und gibt im (erinnerten) Wortlaut Sontags Aussagen, meistens Ratschläge, wieder. Das ist so soghaft, spannend und faszinierend, dass man „Sempre Susan“ nicht weglegen kann. #sempresusan